Key Takeaways
- Die Dekarbonisierung gestaltet sich im Transportsektor besonders schwierig. In den nächsten zehn Jahren werden erhebliche Veränderungen erforderlich sein, um die Klimaziele zu erreichen.
- Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs ist Europas wichtigstes Mittel zur Senkung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor.
- Weitere technologische Entwicklungen sind erforderlich, um die Nachhaltigkeit im Luft- und Seeverkehr zu gewährleisten.
Der Klimawandel rückt in ganz Europa immer stärker in den Mittelpunkt. Neue Studien unterstreichen die Notwendigkeit, angesichts der Klimakrise sofort zu handeln. Die meisten europäischen Länder konzentrieren ihre Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel auf die Dekarbonisierung, um ihren Teil zur Erreichung des globalen Ziels beizutragen, die Erderwärmung bis 2100 auf weniger als 2 °C zu begrenzen.
Das Europäische Klimagesetz verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten dazu, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % zu reduzieren (im Vergleich zu 1990), mit dem längerfristigen Ziel, bis 2050 Klimaneutralität innerhalb der Europäischen Union (EU) zu erreichen.
Zahlen der Internationalen Energieagentur zeigen, dass fast ein Viertel der europäischen Emissionen auf den Verkehr entfällt, weshalb die Dekarbonisierung des Transportwesens für die Erreichung der Klimaziele unerlässlich ist. Die Verringerung der Emissionen in diesem Sektor erfordert enorme Investitionen und erhebliche Verhaltensänderungen, was Auswirkungen auf die gesamte europäische Wirtschaft haben wird.
Aktuelle Lage
Wichtige Kennzahlen zeigen einen Abwärtstrend bei den Treibhausgasemissionen in Europa. Wenn dieser Trend anhält, ist Europa in einer guten Position, seine mittel- und langfristigen Klimaziele zu erreichen. Warum also hinken die aktuellen Treibhausgasprognosen den Regierungszielen so stark hinterher?
Ein Blick auf die bisherigen Fortschritte liefert eine Antwort auf diese Frage. Bislang wurden die größten Emissionssenkungen durch die Schließung von Kohlekraftwerken erreicht. Dagegen erweist sich die Reduzierung der Emissionen in anderen Sektoren (wie dem Transportwesen oder der Schwerindustrie) als wesentlich schwieriger.
Warum ist die Dekarbonisierung des Transportwesens so schwierig?
Laut der Non-Profit-Organisation The Carbon Disclosure Project bezieht das Transportwesen mehr als 90 % seiner Energie aus Öl. Der Austausch von Öl gegen emissionsärmere Energieträger wie Strom ist eine zentrale Säule des europäischen Plans zur Reduzierung der Verkehrsemissionen. So gilt in der EU ab 2035 ein Verkaufsverbot für neue Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.
Norwegens Erfolgsgeheimnis
Norwegen ist Vorreiter in Europa im Hinblick auf die Verbreitung von Elektrofahrzeugen. Mit einem Anteil von 88 % an allen verkauften Neuwagen ist das Land hervorragend gerüstet, sein ambitioniertes Ziel zu erreichen, bis 2025 nur noch Fahrzeuge mit Elektroantrieb zu verkaufen – dank einer Kombination aus finanziellen Anreizen:
- Steuererhöhungen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor
- Geringere Besteuerung von emissionsfreien Fahrzeugen
- Schnellladestationen an allen Hauptverkehrsstraßen
- Öffnung der Busspur für emissionsfreie Fahrzeuge
Norwegens bemerkenswerter Umstieg auf Elektrofahrzeuge unterstreicht die transformative Kraft politischer Reformen und liefert eine Blaupause für andere Industriestaaten in Europa.
Anreize zur Anschaffung von Elektrofahrzeugen und schärfere Sanktionen für Unternehmen, die den Wandel verzögern, sind ein Schritt in die richtige Richtung. Es bedarf jedoch weiterer politischer Reformen, um die derzeitigen Hindernisse bei der Produktion und Einführung von E-Autos zu beseitigen, insbesondere in großen europäischen Volkswirtschaften wie Italien und Spanien, wo die Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen aufgrund der hohen Anschaffungs- und Unterhaltskosten vergleichsweise niedrig ist.
Wer sind die Profiteure der E-Auto-Revolution?
Hersteller von Elektrofahrzeugen
Im Jahr 2030 sollen schätzungsweise 30 Millionen emissionsfreie Fahrzeuge auf europäischen Straßen unterwegs sein. Dies bietet Unternehmen, die sich bereits in der Herstellung von Elektrofahrzeugen etabliert haben, eine einmalige Gelegenheit zur Expansion und Innovation.
Steuervergünstigungen und Kaufanreize kurbeln die Nachfrage der zunehmend umweltbewussten Verbraucher nach E-Autos weiter an, wobei Deutschland bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen führend ist. Der Importwettbewerb ist jedoch stark, wobei China aufgrund seines Zugangs zu fortschrittlicheren Technologien in der gesamten Lieferkette auf der Überholspur bleibt.
Wie gut Europa in der Lage ist, den Wettbewerbsvorteil Chinas in der Herstellung von Elektrofahrzeugen zu reduzieren, wird entscheidend dafür sein, inwieweit die europäischen Hersteller von der Umstellung profitieren können. Importzölle auf chinesische E-Autos sind ein denkbares Mittel, allerdings muss Europa angesichts seiner derzeitigen Abhängigkeit von China vorsichtig sein, um Vergeltungsmaßnahmen zu vermeiden. Der Aufbau von Lieferkettenpartnerschaften mit anderen Ländern und Kontinenten, insbesondere mit Schwellenländern, stellt wahrscheinlich den besten Weg für europäische Fahrzeughersteller dar, das erhebliche Wachstumspotenzial auszuschöpfen.
Hersteller und Lieferanten von Batterien
Batterien sind die wertvollste Komponente eines jeden Elektrofahrzeugs, weshalb die Steigerung der Batterieproduktion zur Beseitigung von Lieferengpässen ein Schlüssel zum Erfolg ist. Die Europäische Batterieallianz will sicherstellen, dass Europa bis 2030 90 % seines Batteriebedarfs selbst deckt. Die Nachfrage nach Batterierohstoffen wird weiter in die Höhe schießen – der Bedarf an Lithium wird voraussichtlich um mehr als 1000 % steigen. Wenn sich die Batteriehersteller also verlässliche Rohstoffquellen sichern können, sind nach oben keine Grenzen gesetzt.
Anbieter von erneuerbaren Energien
Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge in Europa wird eine erhebliche Belastung für das Stromnetz darstellen, da die E-Autos auf Europas Straßen im Jahr 2050 etwa 150 Gigawatt an Stromkapazität benötigen werden. Das Ziel der Klimaneutralität im europäischen Transportwesen kann nur dann erreicht werden, wenn dieser Bedarf durch kohlenstoffarme Stromquellen gedeckt wird. Während die gesamte Energiewertschöpfungskette von der höheren Nachfrage aufgrund der Förderung von Elektrofahrzeugen profitieren wird, sind die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien von zentraler Bedeutung für die Sicherstellung ausreichender und zuverlässiger Quellen sauberer Energie, die für den Übergang benötigt werden.
Anbieter von Ladeinfrastruktur
Um die Verbreitung von Elektrofahrzeugen zu beschleunigen, geht die Europäische Kommission davon aus, dass bis 2030 etwa 3,5 Millionen öffentlich zugängliche Ladestationen benötigt werden. Deshalb sollen im Rahmen des Green Deals bis 2025 1 Million Ladepunkte geschaffen werden. Da Mitte 2023 in den EU-Mitgliedstaaten nur gut 500.000 Ladestationen zur Verfügung standen, befinden sich die Länder in einem Wettlauf mit der Zeit, um ihre Straßen für die bevorstehende Verkehrsrevolution zu rüsten.
Die EU hat Gesetze erlassen, um die Bereitstellung von Ladeinfrastruktur in neuen Gebäuden zu gewährleisten, wodurch sich Möglichkeiten für strategische Partnerschaften mit Bauunternehmen ergeben. Neben öffentlichen Investitionen ist die beschleunigte Einführung von Elektrofahrzeugen der Schlüssel zur Ermutigung privater Investoren auf der Suche nach Renditen.
Welche Branchen müssen sich anpassen?
Hersteller von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor
Fahrzeughersteller, die ihre Produktion nur zögerlich auf E-Autos umstellen, werden gegenüber ihren Konkurrenten weiter an Boden verlieren. Die größten europäischen Automobilhersteller produzieren nach wie vor jährlich Hunderte Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Die Hersteller warnen vor Werksschließungen, wenn die Abkehr vom Verbrenner zu schnell erfolgt.
Anreize zur Anschaffung von Elektrofahrzeugen und die vorgeschlagene Verschärfung der Strafen für Unternehmen, die den Umstieg verzögern, werden dazu führen, dass die Herstellung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor gegen Ende des Jahrzehnts weniger rentabel sein wird als die von E-Autos, sodass die Hersteller gezwungen sein werden, ihre Produktion umzustellen.
Öl- und Gassektor
Im Jahr 2022 entfiel fast die Hälfte des Ölverbrauchs in den OECD-Ländern auf den Straßenverkehr – die Internationale Energieagentur geht jedoch davon aus, dass die Verwendung von Öl für Verkehrskraftstoffe nach 2026 zurückgehen wird. Dies stellt eine Bedrohung für die gesamte Öl- und Gasversorgungskette dar.
Die Unternehmen des Öl- und Gassektors müssen die Kohlenstoffintensität ihrer Tätigkeiten reduzieren. Entwicklungen im Bereich der Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung werden hierzu wahrscheinlich einen besonderen Beitrag leisten. Öl- und Gasunternehmen sollten sich auch um eine weitere Diversifizierung in Richtung erneuerbare Energien, Wasserstoff und nachhaltige Biokraftstoffe bemühen, um ihre Einnahmeströme zu sichern.
Welche Lösungen gibt es für andere Verkehrsträger?
Zwar steht die Elektrifizierung von Fahrzeugen im Mittelpunkt der Bemühungen zur Dekarbonisierung des europäischen Verkehrswesens, jedoch ist die Verringerung der Emissionen anderer Verkehrsträger ebenso wichtig.
Der Luft- und Seeverkehrssektor muss seine Anstrengungen zur Verbesserung der Effizienz durch den Einsatz von mehr erneuerbaren und kohlenstoffarmen Kraftstoffen intensivieren. Die derzeit verfügbaren nachhaltigen Flugkraftstoffe sind kostspielig und wurden noch nicht auf Langstreckenflügen getestet, was Zweifel an ihrer Eignung als Alternative zu den derzeitigen Kraftstoffen aufkommen lässt.
Ohne signifikante technologische Entwicklungen ist wahrscheinlich eine nachhaltige Verringerung der Gesamtzahl der Flüge erforderlich, um die Emissionen des Luftverkehrs zu reduzieren. Angesichts der Auswirkungen einer Behinderung des Wachstums im Luftfahrtsektor sowohl auf die Fluggesellschaften als auch auf die Gesamtwirtschaft dürften die politischen Entscheidungsträger und der Luftfahrtsektor Entwicklungen im Bereich der nachhaltigen Flugkraftstoffe als Alternative zu diesem Ansatz bevorzugen.
Die Luftfahrt ist nur einer von mehreren Wirtschaftszweigen, die ein Interesse an nachhaltigen Kraftstoffen haben. Auch die Seeschifffahrt und der Straßengüterverkehr sind von der Entwicklung von Biokraftstoffen abhängig. Die Zusammenarbeit zwischen diesen Branchen bei der Suche nach für beide Seiten vorteilhaften Lösungen ist wahrscheinlich der beste Weg, um die Dekarbonisierungsziele zu erreichen und ein nachhaltiges Wachstum zu gewährleisten.
Final Word
Wenn der Verkehrssektor seinen Beitrag zur Erreichung der europäischen Klimaziele leisten soll, muss eine Reihe von Faktoren zusammenkommen. Ein erfolgreicher Übergang von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu emissionsfreien Fahrzeugen wird dabei von besonderer Bedeutung sein, aber auch andere Faktoren werden eine Rolle spielen. Dazu gehören die stärkere Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, die Entwicklung von Wasserstoff-Brennstoffzellen, die Verlagerung des Güterverkehrs auf andere Verkehrsträger, die Verringerung unnötiger Fahrten sowie Verhaltensänderungen wie die Akzeptanz längerer Transportzeiten für Produkte, wenn dadurch die Emissionen verringert werden.
Jede dieser Veränderungen ist mit unterschiedlichen Herausforderungen verbunden. Luft- und Seeverkehr erfordern erhebliche Innovationen, und die Abhängigkeit von technologischen Fortschritten lässt Skepsis aufkommen, ob die Dekarbonisierung dieser Verkehrsträger realistisch ist.
Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs schreitet voran, wobei Norwegen ein perfektes Beispiel dafür ist, wie ein anreizbasierter Ansatz die Einführung von Elektrofahrzeugen beschleunigen kann. Die Dekarbonisierung des europäischen Verkehrssektors wird aufgrund ihres hohen Stellenwerts für die allgemeinen Klimaziele auf absehbare Zeit ein Hauptaugenmerk der politischen Entscheidungsträger bleiben, da die Erreichung der verkehrsbezogenen Klimaziele entscheidend für die Schaffung einer grüneren Wirtschaft ist.